Näher am Schöpfer – Closer to the Creator

Internationale Fachtagung zur Schriftlichkeit und Lesekultur in Mediasch, Mai 2023

Der Titel der Internationalen Fachtagung rund um die ältesten Bücher aus der Mediascher Gymnasialbibliothek, die am 18.-21. Mai 2023 im Festsaal des Schuller-Hauses, am Sitz des Demokratischen Forums der Deutschen in Mediasch stattfand, hat eine doppelte Bedeutung. Wie der Initiator der Veranstaltung, Univ.-Dozent Dr. habil. Adinel Ciprian Dincă von der Babeş-Bolyai Universität Klausenburg, einführend erläuterte, sollten sich zwölf international anerkannte Fachleute aus sieben europäischen Ländern und aus Kanada am Ort der Entstehung (Schöpfung) der Bibliothek ausführlich über die Bedeutung der Pfarrarchive und -bibliotheken des Mittelalters und der Vormoderne (ca. 1350 – 1650) austauschen; da die Schriftstücke und Bücher, über die diskutiert wurde, vorwiegend religiös-liturgischen Charakters sind, war naturgemäß stets auch vom göttlichen Schöpfer die Rede.

Den Anstoß zu dieser Tagung gab das im Jahre 2022 begonnene Projekt zur Erforschung der ältesten Bücher aus der Mediascher Pfarr- und Gymnasialbibliothek sowie anderer Zeugnisse der Schriftlichkeit aus Mediasch im Mittelalter und in der Vormoderne (Urkunden, Geschäftsbücher der Pfarrei und für Bucheinbände verwendete alte, beschriebene Pergamente). Dieses wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert. Am Mediascher evangelischen Gymnasium, das im Jahre 1604 erstmals urkundlich erwähnt, mit Sicherheit aber schon viel früher gegründet wurde, entstand im Laufe der Jahrhunderte durch gezielte Käufe und Spenden eine beachtliche Bibliothek. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Bibliothek eine große Zahl von städtischen Urkunden übergeben, die bis ins 14. Jh. zurückgehen, außerdem die Urkunden der Mediascher Zünfte und Nachbarschaften. Schließlich vereinigte man auch die Buchbestände des Mediascher und Schelker Kirchenbezirks mit des Gymnasialbibliothek, die Mitte des 20. Jhs. gut 13.000 Bände ihr Eigen nannte.

Das Team um Dr. Dincă machte bei der Inaugenscheinnahme der Bibliothek eine unerwartete Entdeckung. Die Büchersammlung umfasst heute noch über 150 Druckwerke aus der Zeit vor 1600, dazu einige Inkunabeln und zahlreiche Fragmente und Urkunden, die im Rahmen des Projektes erforscht werden sollen. Zwar war die Existenz dieser Bibliothek bekannt, ihr ungeahnter Reichtum war aber niemandem genau bewusst, vor allem ist er nicht öffentlich bekannt gemacht und wissenschaftlich erfasst ausgewertet worden. Die ersten Forschungsergebnisse des Klausenburger Teams lösten einen – gelegentlich von sensationslüsternen Übertreibungen nicht ganz freien – Medienrummel aus; dieser aber lenkte auch die Aufmerksamkeit der internationalen Fachwelt auf diesen Bücherschatz.

Dieses länderübergreifende Interesse regte Dr. Dincă an, eine Einladung an Kollegen zu richten, die im gleichen oder in verwandten Fachgebieten tätig sind. Sie fand ein breites Echo, und so kam es zu diesem Erfahrungsaustausch in Mediasch. Das örtliche Demokratische Forum der Deutschen richtete die Tagung aus, unterstützt von der Heimatgemeinschaft Mediasch e. V., der Evangelischen Kirchengemeinde A. B. und dem Bürgermeisteramt der Stadt. Möglich wurde die Tagung durch großzügige institutionelle und private Spenden. Zur Ausrichtung der Tagung erhielt das Mediascher Forum Mittel vom Departement für Interethnische Beziehungen beim Generalsekretariat der Regierung Rumäniens. Die HG Mediasch erhielt eine Förderung vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales über das in München ansässige Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen, die die Gewährung eines Reisekostenzuschusses an die teils von weither angereisten Referentinnen und Referenten ermöglichte. Reisekosten, die die Höhe dieser Förderung überschritten, konnte das Demokratische Forum der Deutschen dank einer großzügigen Spende von Martin Müller vergüten. Auch die HG Mediasch beteiligte sich an anfallenden Kosten. Allen Zuwendungsgebern und Spendern sei auch auf diesem Wege herzlich gedankt.

Was hat die Tagung nun gebracht? Das ist sicherlich nicht mit wenigen Worten gesagt. Die Teilnehmer an der Konferenz behandelten vier Themengruppen, die jeweils drei Referate bündelten: (1) über Pfarrbibliotheken und -archive im siebenbürgischen und mitteleuropäischen Kontext; (2) das gleiche Thema, aber aus einer breiteren europäischen Perspektive (Portugal, Italien und England); (3) Wiederherstellung verlorener Bibliotheken durch Untersuchung recycelter Fragmente von Kodizes; (4) moderne Werkzeuge und Lösungen zur Recherche und Präsentation historischer Quellen. Daneben galt der Schwerpunkt jedoch dem persönlichen Kennenlernen und dem Austausch von Meinungen und Vorschlägen im Zusammenhang mit der Erforschung der Mediascher Bücher. Dazu bot vor allem ein Workshop Anlass, bei dem die Bibliothek und deren Schätze besichtigt werden konnte. Anhand ausgewählter Originalschriftstücke konnten sich die Fachleute ein gutes Bild von der Qualität und Breite der hier aufbewahrten Zeugnisse früher Schriftlichkeit machen. Dabei hoben die Spezialisten besonders die Tatsache hervor, dass die örtliche Situation in Mediasch eine für die Forschung besonders günstige ist – nur in seltenen Fällen kann eine Pfarrbibliothek mit dem zugehörigen Archiv heute noch am Ort ihrer Entstehung untersucht werden.

Adinel Dincă, nicht nur ein hervorragender und international anerkannter Wissenschaftler, sondern auch ein erfahrener Hochschullehrer, brachte vier seiner Studierenden zu dieser Tagung mit: Livia Potop und Alexandru Frătean, die im Rahmen des BKM-geförderten Forschungsprojekt aktiv sind, sowie Ştefania Ghişa und Andrei Moga, die sich in die Thematik einarbeiten werden. Sie sollten die Möglichkeit erhalten, bei der Konferenz mit den Referierenden ins Gespräch zu kommen. Gleichzeitig waren sie die guten Geister dieser Veranstaltung, überall bereit, kleine, aber wichtige Handreichungen zu geben, beim Herrichten des Saals, am Beamer, aber auch beim Abwasch nach dem Festbüffet. Ihnen sei an dieser Stelle ein besonderes Dankeschön gesagt.

Das Rahmenprogramm bot den Teilnehmern verschiedene Möglichkeiten, die Stadt und die nähere Umgebung kennen zu lernen. Der Kurator des Mediascher Munizipalmuseums, Viorel Ştefu, führte durch die Gassen der Altstadt und durch das Museum. Im Anschluss an ein Mittagessen im Gemeindehaus, schmackhaft zubereitet von „Essen auf Rädern“, folgte auch eine Führung durch die Margarethenkirche, ehe die Bibliothek besichtigt werden konnte. Zum Auftakt der Konferenz lud das Bürgermeisteramt, vertreten durch den stellvertretenden Bürgermeister Dan Sima, zu einem festlichen Büfett ein; die „Königliche Mädchentraube“ dazu war großzügig gespendet von dem bekannten Weinbauforscher Octavian Isăilă. Den Abschluss der Konferenz bildete eine Rundfahrt durch die Kirchenburgenlandschaft rund um Mediasch, nach Birthälm, Reichesdorf und Almen, wo ein rustikales Essen, zubereitet von Maria Ganea, einen landestypischen Abschluss bot. Für einige der am Sonntag noch nicht abgereisten Teilnehmer bot sich die Möglichkeit, ein besonderes Kleinod der Stadt zu besichtigen – die 1895 erbaute Synagoge, ihre Bücher und ihr Archiv, kundig erklärt von Ioana Pătrăşcoiu.

Den Dankesworten der Teilnehmenden ist zu entnehmen, dass Mediasch und die Kultur und Geschichte der Siebenbürger Sachsen neuen Freunde gewonnen haben, die wohl gerne wieder kommen werden – zum Forschen und Genießen.

Ohne die zahlreichen Helfenden vor Ort wäre diese Tagung aber nicht zum Erfolg geworden. Allen voran möchte ich das Mediascher Forum nennen, Andra Luca, Ladislau Ciocan und Helmuth Knall, ebenso die Mediascher Ev. Kirchengemeinde, Ursula Juga-Pintican und das Team von „Essen auf Rädern“, die Pfarrherren Wolfgang Árvay und Gerhard Servatius-Depner und andere mehr.

Hansotto Drotloff

„Druckwerke und Handschriften in der Bibliothek der Mediascher Pfarrkirche (15.-16. Jh.)”

Organizatoren und Sponsoren